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Energiepolitik

enplify-Analyse zum BMWK-Vorschlag: Der wackelige Brückenstrompreis.

12. Mai 2023

Das BMWK weckt mit dem Vorschlag für einen „Brückenstrompreis“ von sechs Cent pro Kilowattstunde Hoffnungen bei der Industrie, die vermutlich schon aus beihilferechtlichen Gründen enttäuscht werden, befürchtet enplify-Vorstand Dennis Becher. Die Regierung sollte ihren Blick daher auch auf weitere Instrumente richten.

Dieser Text ist am 12.05.2023 als Namensbeitrag im Tagesspiegel Background Energie & Klima erschienen (Link).

Die deutsche Industrie hat aufgrund hierzulande höherer Energiekosten als in den USA, Asien oder auch Teilen Europas Nachteile im globalen Wettbewerb. Für die hiesigen Unternehmen wären daher Maßnahmen zur Strom- und Gaspreissenkung ein wichtiges Signal, um einem internationalen Level Playing Field näher zu kommen und damit eine Transformation hin zu einer klimaneutralen Zukunft zu ermöglichen. Die geplante industrielle Transformation basiert in weiten Teilen auf einer Elektrifizierung von Prozessen und der Umstellung auf Wasserstoff, weshalb der Strombedarf steigen wird und wettbewerbsfähige Stromkosten perspektivisch noch wichtiger werden.

In Europa liegen die Strom- und Gaspreise um Faktor fünf bis sieben höher als in den USA und auch deutlich über den Preisen in Asien, wobei zwischen China und anderen asiatischen Industrienationen zu differenzieren ist. Durch die neue Abhängigkeit vom globalen LNG-Markt werden diese allerdings auf Sicht auch höher bleiben. Der Preisunterschied ist aktuell viel zu groß und muss so schnell wie möglich reduziert werden.

Der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) skizzierte „Brückenstrompreis“ könnte eine sinnvolle Maßnahme sein, dieses Ziel zu erreichen. Jedoch wird einer solchen Subvention voraussichtlich das europäische Beihilferecht einen Riegel vorschieben. Da der „Brückenstrompreis“ auf höchst unsicherem beihilferechtlichem Fundament steht, wären alle Beteiligten gut beraten, die gerade beginnende Debatte nicht auf einen „Industriestrompreis“ zu verengen.

Wie auch andere energierelevante Entlastungen in der Vergangenheit, mussten im letzten Jahr bereits die Strom- und Gaspreisbremsengesetze beihilferechtlich von der EU-Kommission genehmigt werden. Grundlage war der sogenannte Temporary Crisis Framework (TCF). Dieser ist als beihilferechtliche Grundlage für einen Industriestrompreis ungeeignet, da er in seiner aktuellen Form Beihilfen von über vier Millionen Euro nur bei einem EBITDA-Rückgang von mindestens 30 Prozent zulässt.

Da der Bundesregierung zurecht ein Industriestrompreis ohne Voraussetzung eines Betriebsverlustes vorschwebt, kann dieser nur auf der allgemeinen Energiebeihilfenleitlinie (KUEBLL) basieren. Diese erlaubt jedoch nur Zuschüsse an ausgewählte Wirtschaftszweige. Bereits aus diesem Grund adressiert der „Brückenstrompreis“ des BMWK wohl von vorneherein ausschließlich die energieintensive Industrie – genauer gesagt die Sektoren, die von der EU-Kommission als von Carbon Leakage (Verlagerung von CO2 emittierenden Industrien) bedroht eingestuft wurden. Demnach könnten in Deutschland von rund 25.000 Industrieunternehmen 1.500 bis 2.000 Unternehmen von einem solchen „Brückenstrompreis“ profitieren.

Zustimmung der EU-Kommission unwahrscheinlich.


Vor dem Hintergrund bisheriger beihilferechtlicher Argumente aus Brüssel erscheint die Genehmigung eines „Brückenstrompreises“ ausschließlich zugunsten der deutschen Industrie unwahrscheinlich. Und wer nun einwirft, warum etwas in Deutschland nicht geht, was doch in Frankreich bereits gang und gäbe ist, dem sei gesagt: Bei dem bis 2025 von EU-Kommission genehmigten ARENH-Konzept handelt es sich nur indirekt um einen Industriestrompreis. Wer ein Level Playing Field zumindest in Europa möchte, sollte solche Ausnahmeregelungen abschaffen oder gleich für einen europäischen Industriestrompreis eintreten, was wohl die beste Lösung wäre.

Auch der Hinweis des BMWK auf die Besondere Ausgleichsregelung (BesAR) als „etabliertes Instrument“ geht ins Leere. Wie der Name schon sagt, wurde die EEG-Umlage – bis auf das vorerst letzte Jahr – durch ein Umlagesystem von allen Letztverbrauchern gezahlt. Unternehmen konnten dank der BesAR die EEG-Umlage begrenzen (und das gilt weiterhin für andere Umlagen). Der „Industriestrompreis“ soll gerade nicht über eine (neue) Umlage finanziert werden, sondern aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) und damit aus öffentlichen Mitteln. Daher wird die EU-Kommission hier besonders kritisch hinschauen.

Zudem fällt das BMWK-Konzept noch zu unspezifisch aus. Bis 2030 soll der Strompreis für energieintensive Unternehmen für 80% des Verbrauchs auf 6 ct/kWh begrenzt werden. Die Beihilfe soll sich aus der Differenz zwischen diesem Wert und dem „durchschnittlichen Börsenstrompreis“ und nicht dem individuellen Strompreis des Unternehmens ergeben. Bei den 6 ct/kWh handelt es sich im Übrigen um einen Nettopreis, während die im Wahlkampf vom heutigen Bundeskanzler genannten 4 ct/kWh brutto gemeint waren, also inklusive der Stromnebenkosten.

Es stellt sich gleich die Frage, was mit „durchschnittlichem Börsenstrompreis“ gemeint ist. Bislang wenig Beachtung findet auch der Hinweis des BMWK, dass die Subventionshöhe über „Stromverbrauchsbenchmarks“ ermittelt werden soll. Solche Benchmarks kennt die Industrie aus dem Antrag auf Strompreiskompensation. Sie führen im Ergebnis dazu, dass sich die Entlastung nicht am tatsächlichen Verbrauch orientiert, sondern an europaweit ermittelten Benchmarks – und dass weit weniger als 80% des Verbrauchs begünstigt würde. Bemerkenswert sind auch die zahlreichen Gegenleistungen, die das BMWK auflistet. Neben den beihilferechtlich zwingenden ökologischen Gegenleistungen werden Klimaneutralitätsverpflichtungen, Tariftreue und Standortgarantien bis weit in die Zukunft verlangt.

Nebenkosten senken und das Angebot verbessern.

Vor dem Hintergrund der beihilferechtlichen Problematik sollten dringend alternative Instrumente zur Energiekostensenkung für die Industrie geprüft werden, wie die Umfinanzierung der Strom- und Gasnebenkosten, das heißt Steuern, Abgaben, Umlagen und vorrangig die immer weiter steigenden Netzentgelte. Zudem sind angebotsbezogene Maßnahmen gefragt, die das Brennstoff- und Erzeugungsangebot verbessern, wie LNG-Verträge mit verbindlichen Liefermengen und -preisen oder die Förderung marktbasierter Instrumente wie Power Purchase Agreements (PPA).

Die Regierung sollte ein wirksames Maßnahmenpaket schnüren, um Deutschlands Industrie zu unterstützen. Anders als bei den handwerklich unbefriedigenden Strom- und Gaspreisbremsengesetzen sollte sich die „Ampel“ – trotz des Handlungsdrucks – unbedingt ausreichend Zeit für eine rechtssichere und beihilferechtskonforme Ausgestaltung entsprechender Gesetzesvorhaben nehmen.

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