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Energiepolitik

Das Klimapaket und die Folgen für die Industrie.

2. Okt. 2019

Nach einer Mammutsitzung hat die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD am 20. September 2019 im Klimakabinett die Eckpunkte (Klimapaket) für das Klimaschutzprogramm 2030 veröffentlicht. Es handelt sich um eine 22-seitige Absichtserklärung. Die Auswirkungen können im Detail erst nach der Vorlage bzw. Verabschiedung entsprechender Gesetze beurteilt werden.

Wir analysieren im Folgenden das Klimapaket im Hinblick auf die derzeit bekannten Auswirkungen für die Industrie. Eine wichtige Erkenntnis dabei ist, dass die Förderung erneuerbarer Energien wieder als Beihilfe eingestuft werden könnte, falls der Bund die Senkung der EEG-Umlage wie geplant aus der CO₂-Bepreisung finanziert.

Aus Sicht der Fridays For Future-Bewegung und diverser Umwelt- und Verbraucherverbände sind die Beschlüsse des Klimakabinetts enttäuschend. Die Opposition spricht von einem „Dokument der politischen Mutlosigkeit“, während die Regierung ihren Beschluss selbstverständlich verteidigt. Allerdings zeigen sich auch Wirtschaftsverbände wie dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) nur bedingt überzeugt vom Klimapaket. Die Beurteilung ist eine Frage der Perspektive. Wir konzentrieren uns an dieser Stelle auf die heute bekannten Inhalte.

Zeitplan.

Die Umsetzung der Eckpunkte soll in drei Phasen erfolgen:

  • Phase 1: 2020

Hohe Anreize sollen kurzfristig durch hohe Zuschüsse gesetzt werden. Dabei stehen vor allem die Gebäudesanierung und der Ladesäulenaufbau im Fokus. Darüber hinaus soll die Attraktivität der Bahn (Personen- und Güterverkehr) sowie des restlichen ÖPNV gestärkt werden.

  • Phase 2: 2021-2025

In Ergänzung zum europäischen Emissionshandelssystem (ETS) soll ein nationaler CO₂-Emissionshandel in den Sektoren Wärme und Verkehr eingeführt werden, dessen Mindestpreis sich von 2021 bis zum Jahr 2025 kontinuierlich von 10 € pro Tonne CO₂ auf 35 € erhöhen soll.

  • Phase 3: 2026-2030

In einem CO₂-Emmisionsmarkt mit einer vorgegebenen jährlichen Reduzierung der maximalen CO₂-Mengen werden in einem Preiskorridor mit Mindest- und Maximalpreisen die notwendigen Zertifikate gehandelt.

Direkte Auswirkungen.

Um die Klimaschutzziele für den Sektor Industrie bis 2030 noch zu erreichen, ist eine Lücke von 45 bis 48 Millionen Tonnen CO₂ oder 25% zu schließen. Dieses Ziel soll durch die Ausweitung bestehender Fördermaßnahmen im Bereich der Energie- und Ressourceneffizienz und den Erneuerbaren-Energien-Ausbau erreicht werden. Die genannten Entlastungen in 2021 von 0,25 Ct/kWh bei der EEG-Umlage entsprechen gerade einmal rund 4% der gesamten Höhe der Umlage von 6,405 Ct/kWh in 2019. Auch die weiteren Entlastungen „entlang des CO₂-Bepreisungspfades“ liegen mit 0,50 Ct/kWh in 2022 und 0,625 Ct/kWh in 2023 in einem nahezu vernachlässigbar geringen Rahmen. Eine Reduktion der EEG-Umlage um 4% steht im Übrigen mit Blick auf die notwendigen netzinfrastrukturellen Investitionen und zukünftigen CO₂-Kosten in der Stromerzeugung in keiner Relation. Gegenläufig hierzu dürfte auch die zu erwartende steigende Entwicklung der KWK- und der Offshore-Netzumlage sein.

Förderpaket.

Ein wesentlicher Bestandteil des Klimaschutzprogramms ist ein milliardenschweres Förderpaket zur „Beschleunigung“ klimafreundlicher Investitionen. Dieses großzügige Budget ist allerdings nicht nur auf „Fridays For Future“-Bewegungsdruck zurückzuführen. Es ist ganz sicher auch unter dem Eindruck der EU-Verordnung 842/2018 vom 30.05.2018 entstanden. Der darin festgelegte Sanktionsmechanismus bei Verfehlen der vorliegenden verbindlichen Minderungsziele könnte Deutschland 2030 schwer treffen.

Mittelbare Auswirkungen.

Die Belastung des Non-ETS-Sektors Verkehr wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach mittelbar auch auf die in Deutschland ansässige Industrie auswirken. Vor allem auf diejenigen, die keine Möglichkeit haben, ohne etwaige Mehrkosten auf Schiene oder Wasserwege auszuweichen. Die Industrieunternehmen sind aufgrund der Wettbewerbssituation starkem Kostendruck ausgesetzt. Zusätzliche Aufwendungen für Logistik werden ihre Position im internationalen Wettbewerb weiter schwächen. Wie der Schienenverkehr attraktiver werden soll, bleibt unklar. Eine Förderung des Ausbaus der Infrastruktur mit Zuschüssen von 1-2 Mrd. € scheint in Relation zu den 70 Mrd. €, die im ursprünglichen Bundesverkehrsflächenplan 2030 für die Schiene vorgesehen waren, eher ein Tropfen auf dem heißen Stein zu sein. 

Rechtliche Fragen.

Die Finanzierung der Senkung der EEG-Umlage über die staatlich kontrollierten Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung wirft zudem die Frage auf, ob der Staat dadurch nicht in den EEG-Wälzungsmechanismus eingreift. Diese Frage ist für Unternehmen mit Besonderer Ausgleichsregelung von besonderer Bedeutung. Die kürzlich getroffene Entscheidung des EuGH, dass es sich beim EEG und damit zusammenhängenden Privilegien nicht um eine Beihilfe handelt, basierte vorranging auf der Tatsache, dass es keinerlei staatliche Eingriffe in das Wälzungssystem gibt. Das Finanzierungsmodell des Eckpunktepapiers könnte dies maßgeblich ändern und die industriell überlebenswichtigen Privilegierungstatbestände wieder in die notwendige Beihilferechtskonformität drängen. Zu welchen bürokratischen Auswüchsen dies führen kann, hat das Energiesammelgesetz in diesem Jahr bewiesen. Inwiefern die Festlegung von Preiskorridoren grundsätzlich mit dem europäischen ETS-Handelssystem vereinbar ist oder ob eine staatlich implementierte CO₂-Bepreisung mittelfristig in einer CO₂-Steuer mündet, ist auch noch zu diskutieren.

Fazit.

Das Eckpunktepapier lässt damit viele Fragen offen und das Gesamtausmaß der zu implementierenden notwendigen Maßnahmen unbeleuchtet. Einzig die abschließende Bezeichnung des Klimapakets als „gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung“ lässt vermuten, dass die Konsequenzen tiefgehender sind, als im Eckpunktepapier dargestellt.


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