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Emissionshandel

enplify exklusiv: EU-Kommission belastet Unternehmen mit zusätzlichen 800 Mio. € p.a.

18. März 2021

Am vergangenen Freitag hat die EU-Kommission die Benchmark-Verordnung für Teil 1 der 4. Handelsperiode (2021-2025) verabschiedet. Elementarer Bestandteil der Verordnung sind die für die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten relevanten Effizienz-Benchmarks. Im Vergleich zur 3. Handelsperiode, die Ende 2020 abgelaufen ist, sind die neuen Benchmark-Werte für die vom europäischen Emissionshandelssystem (EU-EHS) erfassten deutschen Anlagenbetreiber eine Hiobsbotschaft: Insgesamt müssen die am europäischen Emissionshandel teilnehmenden deutschen Unternehmen mit jährlichen Mehrbelastungen von 800 Mio. € rechnen. Das geht aus exklusiven enplify-Analysen hervor, über die der Tagesspiegel Background Energie & Klima sowie der energate messenger berichtet haben.

„Die deutsche Industrie muss damit zum wiederholten Male politisch gesteuerte Mehrbelastungen bei den Energiekosten in der Corona-Krise verkraften. Nachdem die Bundesregierung insbesondere den Erdgasverbrauch deutscher Unternehmen mit der Einführung des nationalen CO2-Preises im Januar verteuert hat, schlägt nun die EU-Kommission zu und verringert die freien Zertifikate-Zuteilungen signifikant. Die allermeisten Unternehmen, deren Anlagen vom europäischen Emissionshandel erfasst sind, werden von dieser Entwicklung kalt erwischt“, befürchtet enplify-Vorstand Dennis Becher. „Während die Preise auf dem von Spekulanten angeheizten europäischen Kohlenstoffmarkt ständig neue Rekorde erklimmen, erhöht nun die EU-Kommission durch die Benchmark-Verordnung den Zukaufbedarf an Emissionszertifikaten signifikant. Das Ergebnis ist so einfach wie fragwürdig: Höhere Zertifikatepreise multipliziert mit höheren Mengenbedarfen ergeben deutlich höhere CO2-Kosten. Das Vorgehen der EU-Kommission erscheint angesichts der fragilen konjunkturellen Lage, in der immer noch viele Unternehmen um ihre Existenz bangen, weder sinnvoll noch angemessen.“

Die Effizienzbenchmarks sind ein elementarer Bestandteil zur Berechnung der individuellen Zuteilungsquote für den Erhalt von freien Emissionsberechtigungen im Rahmen des EU-EHS. Die Grundintention der freien Zuteilung ist der Schutz bestimmter Sektoren, deren Produktionsstandorte und die damit verbundenen CO2-Emissionsquellen nicht durch Überbelastungen aus der EU verlagert werden sollen. Denn das würde bloß bedeuten, dass sie ihre Emissionen im nichteuropäischen Ausland ausstoßen, womit dem Klima nicht geholfen wäre. Diese Verlagerungsproblematik wird gemeinhin als „Carbon Leakage“ (Kohlenstoffleck) bezeichnet.

Die Höhe der freien Zuteilung orientiert sich produktspezifisch grundsätzlich am CO2-Ausstoß der effizientesten Anlagen zur Herstellung eines bestimmten Produkts (Top 10%). Bereits in der 3. Handelsperiode basierte die Quote der freien Zuteilung auf der zuteilungsrelevanten Menge des hergestellten Produkts. Diese wurde dann mit einem produktspezifischen Emissionswert (Effizienz-Benchmark) multipliziert. Damit sind der Aktivitätsgrad (Produktionstonnage) sowie der Effizienz-Benchmark die wesentlichen Faktoren, die zur Ermittlung der Menge an freien Berechtigungen herangezogen werden. Rund 75% der in der 3. Handelsperiode frei zugeteilten Emissionsberechtigungen basierten auf den Effizienzbenchmarks. Die verbliebenden 25% der freien Zuteilungen erfolgten i.d.R. auf Grundlage sog. Fallback-Produkte, d.h. für Produktgruppen, für die kein Effizienz-Benchmark vorliegt. Hierbei werden die Emissionsmengen und auch die Quote der freien Zuteilung basierend auf dem Wärme- bzw. Brennstoffverbrauch berechnet.

Effizienz-Benchmarks deutlich verschärft.

Nach der Veröffentlichung der Benchmark-Verordnung von Freitag ist klar: Die EU-Kommission hat die Effizienz-Benchmarks verschärft und diese Verschärfungen auch auf die Fallback-Benchmarks übertragen. Die Effizienz-Benchmarks (in EUA/Tonne fertiggestellten Produkts) fallen im Durchschnitt rund 18,3% niedriger aus als in der vorausgehenden Handelsperiode. Auch die Wärme- und Brennstoffbenchmarks schlagen im Mittelwert mit minus 24,1% zu Buche. In den meisten Fällen reizt die EU die maximalmögliche Reduktionsquote der Benchmarks von -25,0% nahezu aus.

Die 918 industriellen Anlagen, die laut VET („Verified Emissions Table“) -Bericht der Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Jahr 2019 für 119 Mio. Tonnen CO2-Ausstoß in Deutschland verantwortlich waren, besaßen zuletzt auf Grundlage vorausgehender Effizienzbenchmarks einen Ausstattungsgrad an freien Emissionsberechtigungen von 87%.

Wird demzufolge eine durchschnittliche Reduzierung der Effizienzbenchmarks um knapp 20% unterstellt, dürfte der Ausstattungsgrad an freien Zuteilungen entsprechend auf rund 70% sinken. Notwendige Zukäufe von Emissionsberechtigungen für Compliance-pflichtige Anlagenbetreiber sind die Konsequenz. Die Verringerung des Ausstattungsgrades um -17%-Punkte entspricht bezogen auf die deutsche Industrie rund 20.000.000 Emissionszertifikaten, die im Vergleich zu den Vorjahren zusätzlich erworben werden müssen. Bewertet mit dem aktuellen Preis von rund 40 €/Tonne CO2 ergeben sich jährliche Belastungen von ca. 800 Mio. €.

Dabei darf ergänzend nicht außer Acht gelassen werden, dass auch die dezimierten Aktivitätsraten der Anlagenbetreiber im ersten Corona-Jahr 2020 Bestandteil der tatsächlichen Zuteilungsquoten-Ermittlung 2021 sind, was wiederrum ebenfalls zu einer weiteren Reduktion der freien Zuteilung für einige Unternehmen führen sollte.

Wenn Sie mehr erfahren möchten, sprechen Sie uns gerne an. Wir unterstützen Sie gerne bei Ihren Entlastungsanträgen im europäischen und nationalen Emissionshandel und bei der Beschaffungsstrategien im europäischen Emissionshandel.

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