Zur Übersicht
Energiebeschaffung

enplify-Fachbeitrag zur e|m|w energate-Magazin Sonderausgabe Beschaffung: Nach der Krise ist vor der Krise

3. Mai 2024

Wer glaubt die Krisen seien überwunden, sitzt einem Trugschluss auf. Denn sicher ist nur eins: Nach der Krise ist vor der Krise. Was wir aus vergangenen Krisen lernen können und wie eine flexible und breit aufgestellte Beschaffungsstrategie zu mehr Sicherheit beim Energieeinkauf führt.

Dieser Text ist am 03.05.2024 als Fachbeitrag im e|m|w energate-Magazin erschienen.

Hurra, die Energiepreise sind wieder auf einem niedrigeren Niveau – oder doch nicht? Im Vergleich zum Frühjahr 2016 ist das Niveau weiterhin enorm hoch. Die letzten Krisen haben uns einmal mehr gezeigt, wie fragil Langfristplanungen sind. Preissteigerungen in bisher unvorstellbaren Höhen haben für Unternehmen in den letzten Jahren existenzgefährdende Ausmaße angenommen. Glück hatte, wer langfristig vorsorgte und die Krisen überbrücken konnte – Pech, wer beim Energieeinkauf die Entscheidung seinem Bauchgefühl überlies und Preissteigerungen mitnehmen musste. Freud und Leid liegen nah beieinander. In derartigen Zeiten lautet das Gebot der Stunde: Risikominimierung!

Den einen richtigen Weg gibt es nicht!

Besonders für energieintensive Unternehmen des produzierenden Gewerbes sind Preisschwankungen Chance und Risiko gleichermaßen. Die Energiekosten haben einen höheren Anteil an den Produktionskosten als bei sonstigen Unternehmen. Chance und Risiko – je nach Preisentwicklung.

Es gibt unterschiedliche Ansätze, Energie einzukaufen, und jedes Unternehmen sucht den für sich richtigen Weg. Um Risiken zu reduzieren, wird die Beschaffung möglichst flexibel und breit aufgestellt. Es bieten sich Lieferverträge an, deren Bewirtschaftung bereits einige Jahre im Voraus der eigentlichen Lieferung erfolgt. Die Zeit am Markt ermöglicht es, Schwankungen zu nutzen oder auch auszusitzen. Viele kleinere, statt einmalig große Energiemengen einzukaufen, reduziert das Preisrisiko, wie zuletzt während des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Diese Modelle nennen sich Tranchen- oder auch Portfoliomodelle.

Time in the market beats timing the market

Diese Weisheit lässt sich ebenfalls auf die Energiebörsen übertragen. Jedoch führt die Risikostreuung keineswegs zum besten Preis. Das Ziel ist eine Vermeidung von enormen Preissteigerungen, die für Unternehmen im Extremfall existenzbedrohend werden können. Weiteres Ziel ist ein am Ende erreichtes Preisniveau unterhalb des Marktdurchschnitts. Werden beide Ziele erreicht, haben die Unternehmen bereits einiges richtig gemacht.

Ein niedrigerer Energiepreis unterhalb des Marktdurchschnitts lässt sich durch den Einsatz mathematischer Algorithmen erreichen – keine Künstliche Intelligenz, sondern reine Logikabfolgen. „Stop-Loss“ & „Take-Profit“ sind nur zwei von unzähligen Schlagwörtern in diesem Kontext. Der Einkauf von Energieteilmengen folgt einem mathematischen Prinzip, das sachlich-logisch und nicht rational-emotional beurteilt, ob ein Einkaufszeitpunkt passend ist. Es bedarf teils einer gewissen Gewöhnungszeit, die Beurteilung nicht mehr nach dem eigenen Bauchgefühl vorzunehmen – die Ergebnisse sprechen jedoch für sich.

Die heutigen Anforderungen an den Energieeinkauf sind darüber hinaus deutlich höher, sodass sich immer mehr Unternehmen spezialisierte Beratungsunternehmen zur Seite stellen. Es geht um Spotbeimischungen, PPA-Modelle (On- & Offsite), Herkunftsnachweis-Zukäufe (HKN) für Teilmengen sowie Jahres-, Quartals- und Monatsprodukte. Der Standardvertrag, in dem eine fixe Energiemenge und ein fixer Preis zu einem Zeitpunkt definiert wurden, hat bereits lange ausgedient.

Intelligente Energielieferverträge, sogenannte „offene Lieferverträge“, bieten Risikostreuung und gleichzeitig ausreichend Diversität für Preisreduzierungsmaßnahmen. Risiko reduzieren und Chancen beibehalten, gilt es in ein Gleichgewicht zu bringen. Allerdings ist Aufwand und Knowhow-Bedarf solcher Verträge auf Kundenseite höher, weswegen es eine Möglichkeit ist, das Management dieser Verträge auszulagern.

Was sagt die Glaskugel?

Einige Energiemarktexperten brüsten sich mit tiefgreifenden Kenntnissen und Einschätzungen der zukünftigen Preisentwicklung. Die tatsächlichen Herausforderungen sind jedoch Entwicklungen im Weltgeschehen, die sich nicht vorhersagen lassen und einen derart großen Einfluss auf die Energiemärkte haben, dass die Kurzzeitprognosen schnell in Vergessenheit geraten. Nach der Krise ist vor der Krise.

Auf Unternehmensebene wird auch die Nachfrage nach nachhaltig produzierten Erzeugnissen stetig größer. Neben Effizienzsteigerungen ist der Bezug von grüner Energie ein einfacher Weg, die eigenen Erzeugnisse nachhaltiger zu gestalten. Wie sieht Ihre Planung aus – wann erreichen Sie Ihre Nachhaltigkeitsziele? Müssen Sie gegebenenfalls doch schneller als geplant auf nachhaltige Energieträger umstellen, weil ein Kunde die Einhaltung nachhaltiger Kriterien fordert? Hier lautet das Gebot der Stunde: Risikominimierung durch Flexibilisierung.

Jedoch nicht in Bezug auf die Preisentwicklung, sondern in Bezug auf die Flexibilität des Energiebezuges. Flexibilität bedeutet auch Diversität: Statt der Gesamtenergiemenge bei einem Lieferanten, werden Teilmengen bei mehreren Lieferanten platziert. Eine Teilmenge bildet herkömmliche Energie ab, ergänzt durch eine weitere Teilmenge mit grüner Energie. Gerne auch eigene Stromerzeugungsanlagen integrieren, bei größerem Bedarf weitere Erneuerbare-Energien-Anlagen einbinden – Onsite-PPAs in der näheren Umgebung und Offsite-PPAs. Je diverser der Energiebezug, desto mehr Möglichkeiten ergeben sich für die Preisgestaltung und den zukünftigen Energiemix.

Wissen Sie exakt, welche Energiemengen zu welcher Zeit, mit welchem Preis und in welcher ökologischen Qualität Sie 2027 beziehen müssen? Eben! Auch hier lautet das Gebot der Stunde: Risikominimierung durch Flexibilisierung durch Diversifizierung.

Krisen sind Zeiten, in denen besondere Herausforderungen auf Unternehmen zukommen. Je besser wir auf derzeit noch unbekannte besondere Herausforderungen der Zukunft eingestellt sind, desto eher werden wir die Krisenzeiten überstehen und gestärkt daraus hervorgehen. Fakt ist jedoch auch: Risikominimierung durch Flexibilisierung durch Diversifizierung ist komplex.

Die Mär von günstigen Energiepreisen ohne Risiko und Aufwand

Es wurde analysiert, warum Energiepreise ein gewisses Risiko darstellen, wie sich das Risiko minimieren wird und gleichzeitig die Ausgestaltung des Energiebezugs durch diverse parallele Versorgungswege höchst flexibel bleibt.

Unter den oben beschriebenen Besonderheiten ein Energieversorgungsunternehmen (EVU) für die Residualmenge zu finden, also für die Lieferung nicht-selbsterzeugter Energiebezugsmengen aus dem öffentlichen Netz, kann eine Herausforderung sein. Die Anpassung an neue Beschaffungsmethoden der Unternehmen trifft zum Teil bei EVU immer noch auf großes Entsetzen – „Emanzipation der Energieversorgung – dabei waren die alten Versorgungsverträge doch so schön auskömmlich mit hohen Margen“. Naja fast, der Wandel bei den EVU war bereits vor den letzten großen Krisen nötig und vielfach auch bereits initiiert. Die Nachfrage der Unternehmen nach Unterstützungsbedarf steigt – überproportional. Die Unternehmen passen sich den neuen Gegebenheiten an – und die EVU ziehen nach.

Ein weiterer Trend liegt in der Digitalisierung und Automatisierung in Bezug auf die Energieversorgung. Beratungsunternehmen, die den Energieeinkauf bei Unternehmen fortlaufend managen, setzen auf spezialisierte Softwarelösungen. Die Komplexität des risikoarmen, flexiblen und diversen Energiebezugs wird damit deutlich reduziert. Komplexe Prozesse, die früher auf EVU-Seite lagen, können Unternehmen mittlerweile gewinnbringend selbst durchführen.

Fazit

Die Verknüpfung von Eigenerzeugungsmengen, Drittmengen aus beispielsweise PPA-Modellen und Residualmengen mit den aktuellen Geschehnissen an den Energiemärkten – softwarebasiert in Echtzeit. Kauf von Teilmengen, kaufauslösende Algorithmen, Abverkauf von nicht benötigten Quartals- oder Monatsmengen, Übertragung von HKN, Integration von Vergrünungsprodukten und Weiteres.

Die Energiebeschaffung von morgen ist fern ab von krisenbedingter Handlungsunfähigkeit und wird weitere Entwicklungen hervorbringen. Immer mit dem Ziel, nachhaltig für die nächste Krise gewappnet zu sein – und gestärkt daraus hervorzugehen – denn nach der Krise ist vor der Krise.

PDF Download

Kontakt

Haben Sie Fragen? Wir sind für Sie da.

Suchen Sie nach einem kompetenten Partner, der Ihrem Unternehmen zu mehr energiewirtschaftlicher Effizienz verhilft? Möchten Sie erfahren, wie enplify Sie bei Energiebeschaffung, Energienebenkosten, Green Energy und Energiecontrolling oder eben beim Thema Energiepreisbremsen entlasten kann? Dann lassen Sie uns ins Gespräch kommen. Wir freuen uns auf Sie!