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Energiepolitik

Neuregelungen zur Abgrenzung von Drittstrommengen wirkungslos.

3. Jan. 2020

Die Bundesregierung hat sich bei ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion zu den Drittstrommengen kräftig blamiert. Nach Angaben des zuständigen Bundeswirtschaftsministeriums rechnet die Bundesregierung nicht mit signifikanten Mehreinnahmen aus den Neuregelungen des Energiesammelgesetzes zur Abgrenzung von Drittstrommengen. Damit wird die Novelle ad absurdum geführt.

Lesen Sie zu diesem Thema unseren Gastkommentar im energate messenger vom 3. Januar 2020:

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Nach enplify-Schätzungen beläuft sich der administrative Mehraufwand bei den betroffenen Unternehmen auf mindestens 170 Mio. €. Wenn dem keine signifikanten Mehreinnahmen gegenüberstehen, hat das Gesetz nichts zum Schutz der Umlageschuldner beigetragen und gleichzeitig volkswirtschaftliche Ressourcen vernichtet – also Bürokratieaufbau statt -abbau. Dass die Ministeriumsspitze das unverhältnismäßige Vorgehen ihrer federführenden Beamten weder stoppt noch kritisch hinterfragt, lässt den geneigten Beobachter sprachlos zurück.

Rund 2.150 Unternehmen nehmen jährlich die sogenannte Besondere Ausgleichsregelung in Anspruch. Im Wege dieser Besonderen Ausgleichsregelung können stromintensive Unternehmen zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit ihre EEG-Umlage reduzieren, wobei jedoch nur selbst verbrauchte Strommengen privilegiert werden dürfen und somit eine Abgrenzung von an Dritte weitergeleitete Strommengen erfolgen muss. Durch die Abgrenzung wird eine ungerechtfertigte Privilegierung Dritter vermieden und die Umlageschuldner geschützt, die die volle EEG-Umlage zahlen müssen. Grenzen Unternehmen ihre Drittmengen falsch ab, droht ihnen im Wege des „Infektionsrisikos“ der Entzug der gesamten EEG-Umlageentlastung – was für viele Unternehmen ein existenzbedrohendes Risiko darstellt.

Rechtssicherheit durch unbestimmte Rechtsbegriffe

Wenn die Neuregelungen zur Strommengenabgrenzung aus dem Energiesammelgesetz jedoch zu keinen signifikanten Mehreinnahmen führen, werden die Schuldner der vollen EEG-Umlage auch nicht wirksam geschützt. Die Bundesregierung rechnet also selbst damit, dass ihr Gesetz keine Wirkung entfaltet. Ihr kam es vielmehr auf „ordnungsgemäßes Vorgehen“ bei der Abgrenzung und die Herstellung von Rechtssicherheit an – und das angeblich nur auf ausdrücklichen Wunsch „der Wirtschaft“. Eine verwegene Aussage, wobei freilich nicht präzisiert wird, wer „die Wirtschaft“ sein soll. Und wie man mit einem Gesetz, das praktisch nur aus unbestimmten Rechtsbegriffen besteht, Rechtssicherheit schaffen will, bleibt ebenfalls schleierhaft.

„No Quatsch Rule“ der BNetzA

Aus Sicht der Bundesregierung hat dies nun die Bundesnetzagentur (BNetzA) für sie übernommen, die mit ihrem – rechtlich unverbindlichen – Hinweispapier „Messen und Schätzen“ für mehr Klarheit bei den Antragstellern sorgen soll. Beispielhaft werden die Messung am vorgelagerten Punkt, die exemplarische Messung als Grundlage für eine Schätzung und die gewillkürte Nachrangregelung genannt – richtige und wichtige Punkte, die jedoch teilweise erst noch Einzug in die finale Fassung des Hinweispapiers finden müssen. Allerdings wusste sich auch die BNetzA auf ihrem öffentlichen Workshop Anfang Dezember in Bonn stellenweise nicht anders zu helfen, als den betroffenen Unternehmen zu raten, ihren gesunden Menschenverstand einzuschalten und, wie mehrfach wörtlich betont wurde, „keinen Quatsch zu machen“. Hierfür wurde eigens die „No Quatsch Rule“ erfunden – eine sehr spezielle Art von Beamtenhumor. Von Rechtssicherheit kann auf Basis solch unverbindlicher Vorgaben keine Rede sein.

Beamten und ihr Verständnis von „möglichst einfach“

Für Reformfragen erklärte sich die BNetzA nicht zuständig – das allerdings zu Recht. Hier ist jetzt dringend die Politik gefragt. Es ist zu hoffen, dass andere Bundestagsfraktionen den von der FDP-Abgeordneten Sandra Weeser ins Spiel gebrachten Ball aufgreifen, insbesondere die Regierungsfraktionen. Das Bundeswirtschaftsministerium scheint – aus nicht nachvollziehbaren Gründen – in dieser Frage ein Totalausfall zu sein. In der Antwort auf die FDP-Anfrage stellt sich das Altmaier-Haus unbeirrt auf den Standpunkt, bereits im Energiesammelgesetz Möglichkeiten aufgezeigt zu haben, wie Drittstrommengen „möglichst einfach“ abgegrenzt werden können. Von „möglichst einfach“ haben die Antragsteller in den Unternehmen allerdings ein völlig anderes Verständnis.

Gestaltungsspielraum bleibt ungenutzt

Der Spielraum, den der Gesetzgeber nach dem EuGH-Urteil aus März 2019 über den Beihilfecharakter der EEG-Umlage wiedergewonnen hat, sollte kurzfristig genutzt werden. Der Umfang der Gestaltungsmöglichkeiten wird wohl von der konkreten Ausgestaltung der angestrebten Senkung der EEG-Umlage im Rahmen des Klimapakets abhängen. Aus industriepolitischer Sicht muss dringend vermieden werden, das EEG erneut in den „Beihilfeverdacht“ zu rücken. Sonst wäre die auf dem Rechtsweg erkämpfte Befreiung aus den Fesseln des Beihilferechts praktisch umsonst gewesen – und das völlig ohne Not.

Drittmengenabgrenzung als Schildbürgerstreich

Bis sich die Politik zu einer Reform durchringt, müssen jedoch die Unternehmen, die Umlageprivilegien aus der Besonderen Ausgleichsregelung oder aus Eigenerzeugung in Anspruch nehmen, volkswirtschaftlich sinnfrei einen absurd hohen Aufwand für die Abgrenzung von Drittstrommengen betreiben, der die Vollzahler der EEG-Umlage überhaupt nicht entlastet. Ein wahrer Schildbürgerstreich, der den von der Bundesregierung angestrebten Bürokratieaufbau konterkariert und die stromkostenintensive Industrie frustriert zurücklässt.

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