enplify im Interview mit der Marktoffensive Erneuerbare Energien
enplify-Analyse zum BMWK-Vorschlag: Der wackelige Brückenstrompreis.
Tagesspiegel berichtet über enplify-Kritik: „Industrie bemängelt Energiepreisbremsen.“
Artikel erschienen im Tagesspiegel Background Energie & Klima, 05.12.2022 (Link)
Die Bundesregierung muss die Energiepreisbremsen für die Industrie konform mit dem EU-Beihilferecht gestalten. In den Gesetzentwürfen ist sie aber über das Ziel hinaus geschossen, so der Vorwurf von Industrievertretern. Sie habe ohne Not zusätzliche Kriterien eingezogen. So würden die ursprünglich vorgesehen Preisdeckel teilweise ausgehebelt.
Die geplanten Energiepreisbremsen reichen aus Sicht von Industrievertretern für einen Teil der deutschen Unternehmen nicht aus, um ihre Existenz und Wettbewerbsfähigkeit abzusichern. Betroffen sind jene Unternehmen, die mehr als zwei Millionen Beihilfe erhalten und damit an die strikten Kriterien des EU-Krisenbeihilferahmens gebunden sind. Die Industrievertreter kritisieren nun aber, dass die Bundesregierung in den Gesetzentwürfen zur Gas- und Strompreisbremse die von der EU vorgegebenen Kriterien ohne Not verschärft habe.
Hat ein Unternehmen etwa Aussicht darauf, über die potenzielle Beihilfehöchstgrenze von 100 Millionen Euro zu gelangen, muss es zusätzlich nachweisen, dass sein EBITDA (Betriebsergebnis vor Abzug der Zinsen, Steuern, Abschreibungen) zwischen Februar 2022 und Ende 2023 einen Rückgang von 30 Prozent verzeichnet hat.
Laut Dennis Becher vom Beratungsunternehmen enplify ist dieses zusätzliche EBITDA-Kriterium von der EU-Kommission aber „überhaupt nicht“ vorgesehen. „Es ist weder zwingend noch optional. Das verschlechtert die Beihilfemöglichkeiten für die Industrie zusätzlich“, sagte Becher im Gespräch mit Tagesspiegel Background. „Das Kriterium muss im weiteren parlamentarischen Verfahren unbedingt gestrichen werden“, forderte Becher.
Hilfen für viele Unternehmen „Tropfen auf den heißen Stein“.
In das gleiche Horn bläst Sebastian Bolay vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK): „Um energieintensiv zu sein, muss ein Unternehmen nachweisen, dass die Energiebeschaffungskosten im ersten Halbjahr 2022 sechs Prozent überschreiten.“ Das sei beihilferechtlich durch die EU-Kommission nicht vorgesehen und würde Unternehmen benachteiligen, die erst seit Juli mit höheren Preisen konfrontiert seien, sagte Bolay.
Grundsätzlich sehen die Energiepreisbremsen vier Fallgruppen für Unternehmen ab einer Entlastung von zwei Millionen Euro vor, nach denen sich ihre Beihilfe-Höchstgrenzen berechnen. Die geringsten zusätzlichen Anforderungen müssen jene Unternehmen leisten, die Aussicht auf Entlastungen bis zu einer Höchstgrenze von vier Millionen Euro haben. Die strengsten zusätzlichen Anforderungen müssen jene Unternehmen erbringen, die potenziell in die Gruppe bis maximal 150 Millionen Euro Beihilfe fallen könnten. Ab 150 Millionen Euro sind Einzelnotifizierungen in Brüssel notwendig.
Die von der Bundesregierung zusätzlich eingezogenen Vorgaben könnten aus Sicht der Industrievertreter dazu führen, dass die meisten Unternehmen nur jene Anforderungen für eine Entlastung bis maximal vier Millionen Euro erfüllen. Das reicht aus Sicht der Industrievertreter für viele Unternehmen aber nicht aus, zumal die vier Millionen Euro Grenze in Konzernverbünden von allen verbundenen Unternehmen in Summe einzuhalten wäre. In energieintensiven Unternehmen belaufe sich „allein die Monatsrechnung für Strom und Erdgas auf ein Vielfaches von vier Millionen Euro“, wie Becher anmerkte. „Ohne dieses Hilfsangebot zu diskreditieren: Eine Beihilfe von maximal vier Millionen Euro ist für viele Industrieunternehmen nicht ausreichend und für Großverbraucher wäre
sie ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte Becher.
Von versprochenene Energiepreisdeckeln „weit entfernt“.
Laut DIHK-Energieexperte Bolay habe die Bundesregierung die größeren
Gas- und Stromverbraucher in der Wirtschaft mit ihrer Kommunikation ein Stück weit „in die Irre geführt“. So soll offiziell zwar eine Gaspreisbremse von sieben Cent je Kilowattstunde netto und eine Strompreisbremse von 13 Cent je Kilowattstunde netto gelten, jeweils für 70 Prozent des 2021er Verbrauchs. Das ist auch das, was die Gaskommission vorgeschlagen hat. „Nur: Diese Regelungen werden lediglich kleinere Verbraucher voll in Anspruch nehmen können. Denn für alle Unternehmen, die von Januar bis Dezember 2023 mehr als zwei Millionen Euro Beihilfen in Anspruch nehmen, gelten hohe Hürden und Einschränkungen“, sagte Bolay. Für diese Unternehmen seien die sieben Cent und die 13 Cent in den „meisten Fällen weit entfernt“. Vor allem große Unternehmen würden daher darüber nachdenken, die Bremsen gar nicht in Anspruch zu nehmen, weil Aufwand und Entlastung für sie in keinem Verhältnis stünden, so Bolay weiter. Der Gaskommission, der der DIHK als Mitglied auch angehörte, sei aber kein Vorwurf zu machen, wie der Bolay betonte: „Die Bundesregierung hat parallel zur Gaskommission in Brüssel den Beihilferahmen verhandelt. Seit unserem Zwischenbericht vom 10. Oktober war klar, welche Hilfen wir uns für die Unternehmen vorstellen. Es war Aufgabe der Bundesregierung, auf EU-Ebene entsprechend zu verhandeln.“
Appell an die Parlamentarier bei öffentlicher Anhörung.
Auch Franziska Erdle, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Metalle (WVMetalle), sieht dringenden Nachbesserungsbedarf in den vorliegenden Entwürfen: „Die Bundesregierung entfernt sich mit den Gesetzentwürfen zu weit von den Empfehlungen der Gas-Wärme-Kommission. Indem sie Höchstgrenzen einzieht und Teilnahmekriterien verschärft, verhindert sie wirksame Unternehmenshilfen in der aktuellen Krisensituation.“ Insgesamt drohe das Gesetzespaket „aufgrund seiner Auflagen und Restriktionen“ an weiten Teilen der energieintensiven Industrien vorbeizugehen, wie Erdle argumentierte. „Vom angekündigten Doppel-Wumms bleibt nicht viel übrig, was der Nicht-Eisen-Metallbranche in dieser existenzbedrohenden Lage Aussicht auf Entlastung verspricht“, so Erdle.
Gleich am morgigen Dienstag bei der öffentlichen Anhörung zur Strom- und Gaspreisbremse ab 13 Uhr im zuständigen Wirtschaftsausschuss können sich die Regierungsfraktionen ein Bild davon machen, auf welch großen Unmut die Entwürfe in der Industrie, aber auch in der Energiewirtschaft stoßen. Dass die öffentlichen Anhörungen außerhalb einer regulären Sitzungswoche stattfinden, zeigt nur, wie dringend es der Ampel ist, damit zu einem Abschluss zu kommen.
Referenzjahr 2021 war bereits ein Krisenjahr.
Während die Industrievertreter zumindest darauf hoffen können, dass das zusätzliche EBITDA-Kriterium im parlamentarischen Verfahren eventuell gestrichen wird, sind der Ampel bei den grundsätzlichen Vorgaben aus dem EU-Krisenbeihilferahmen wohl die Hände gebunden.
Aber auch hier gibt es aus Sicht der Industrievertreter viel Kritik. Sie bezieht sich unter anderem darauf, dass sich der Referenzzeitraum, nach dem die Hilfen das Hilfskontingent von 70 Prozent des Strom- und Gasverbrauchs berechnet wird, auf das Jahr 2021 bezieht. „Dabei lassen die EU-Beihilfevorgaben vollkommen außer Acht, dass auch das Jahr 2021 ein Krisenjahr war“, kritisierte DIHK-Bereichsleiter Bolay. 2021 sei bei vielen Unternehmen in Industrie und Gewerbe noch geprägt gewesen von den Auswirkungen der Corona-Krise. Bolay sowie Enplify-Chef Becher fordern, stattdessen einen EBITDA-Wert aus einem „für eine Bandbreite von Branchen repräsentativen Zeitraum“ zu wählen, zum Beispiel 2017 bis 2019.
enplify im Interview mit der Marktoffensive Erneuerbare Energien
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