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Emissionshandel

Emissionshandel: Unnötige Doppelbelastung der Industrie in Milliardenhöhe.

12. Aug. 2020

Der vom Bundesumweltministerium (BMU) vorgelegte Referentenentwurf zur „Verordnung über die Emissionsberichterstattung nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz für die Jahre 2021 und 2022“ (kurz: BeV 2022) soll Details zur Einführung des von der Bundesregierung beschlossenen nationalen Emissionshandels im nächsten Jahr regeln. Nach unseren Berechnungen wird die BeV 2022 diejenigen Unternehmen, die bereits vom Treibhausemissionshandelsgesetz erfasst sind, 2 Mrd. € Liquidität innerhalb von 18 Monaten kosten. Im Laufe der Folgejahre wird der negative Cash-Effekt bis Ende 2025 aufgrund des steigenden CO2-Preises und der Ausweitung des nationalen Emissionshandels auf weitere Brennstoffe, wie z.B. Kohle, auf über 6 Mrd. € steigen. Die F.A.Z. hat gestern exklusiv über unsere Analyse berichtet.

Hintergrund der drohenden Liquiditätsbelastungen sind die vom BMU im Verordnungsentwurf vorgesehenen Regelungen, nach denen Unternehmen zunächst für den CO2-Ausstoß der sowohl vom europäischen als auch vom nationalen Emissionshandel betroffenen Anlagen doppelt zahlen müssen und sich anschließend auf Antrag den zu viel gezahlten Betrag zurückholen können – wohlgemerkt rund anderthalb Jahre später, nach Einreichung des im Rahmen des europäischen Emissionshandels zu erstellenden Emissionsberichtes.

Unnötige Doppelbelastung konterkariert Liquiditätshilfen für die Wirtschaft.

„Was nach einer harmlosen Durchführungsverordnung klingt, kann zum Super-GAU für den von der Doppelbelastung betroffenen Teil der deutschen Industrie werden“, befürchtet enplify-Vorstand Dennis Becher. „Es ist offenkundig widersinnig, dass die Bundesregierung in der größten volkswirtschaftliche Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs einerseits notleidende Unternehmen mit Liquiditätssoforthilfen und KfW-Krediten unter die Arme greifen will, ihnen aber zeitgleich durch eine völlig unnötige Doppelbelastung aus europäischem und nationalem Emissionshandel überlebenswichtige Liquidität in Milliardenhöhe entzieht – und das auch noch zugunsten des Bundeshaushalts“, analysiert Becher und fordert daher: „Bundesumweltministerin Schulze muss die industriefeindliche Verordnung dringend überarbeiten und eine praxistaugliche Regelung vorlegen, die eine Vorab-Befreiung der auch am EU-Emissionshandel beteiligten Anlagen zum Zeitpunkt der Lieferung oder spätestens zum Zeitpunkt der Abrechnung vorsieht und dadurch die Liquidität der Industrie inmitten der Corona-Krise schont. Wie die Industrie bei weiter steigenden Energiekosten und neuen überflüssigen Liquiditätsbelastungen freie Mittel für Investitionen in klimafreundliche Investitionen aufbringen soll, bleibt schleierhaft.“

100 Mio. € Liquiditätsbelastung ab Januar 2021 – jeden Monat.

Die Zeit drängt: Bis zum 11. August läuft noch die Länder- und Verbändebeteiligung zum Verordnungsentwurf. Und bereits im Januar droht den betroffenen Unternehmen nach der enplify-Analyse branchenübergreifend ein negativer Liquiditätseffekt aus der Doppelbelastung von rund 100 Mio. € – pro Monat. Besonders betroffen sind die Branchen Chemie, Stahl/Eisen sowie die mineralverarbeitende Industrie. Aber auch die Papier- sowie die Kalkindustrie und Raffinerien müssen mit Cash-Einbußen rechnen.

Auf die Unternehmen kommen durch den neuen nationalen Emissionshandel, der zentraler Baustein im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung ist, sowieso schon zusätzliche finanzielle Belastungen zu, insbesondere durch höhere Erdgaskosten. Das wird die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen weiter einschränken, da es auf der anderen Seite keine entsprechenden Kompensationen gibt und die bereits vorhandenen Belastungen steigen werden. Auf der Erdgasrechnung werden ab Januar zusätzliche 5,0 €/MWh für die Überwälzung der Kosten des nationalen Emissionshandels seitens der Inverkehrbringer, in diesem Fall der Erdgaslieferanten, auftauchen. Bei einem Jahresverbrauch von 100 GWh Erdgas bedeutet dies Mehrkosten rund einer halben Mio. € in 2021, die sich auf über 1,2 Mio. € bis 2025 erhöhen.

Die Kürzung der Carbon-Leakage-Liste sorgt bereits für zusätzliche Belastungen.

Unabhängig von dieser zusätzlichen Liquiditätsbelastung durch die Doppelbelastung aus nationalem und europäischem Emissionshandel mussten sich CO2 emittierende Unternehmen bereits in den Vormonaten mit zukünftigen Belastungen aus dem Emissionshandel auseinandersetzen, als die Anpassung der Carbon Leakage-Liste bekannt wurde. Zum einen werden Anlagenbetreiber künftig ab 2021 teilweise weniger kostenfrei zugeteilte Emissionszertifikate erhalten, da Sie durch die europäische Anpassung der Liste sog. Carbon-Leakage-Sektoren nicht mehr zu den begünstigten Wirtschaftszweigen gehören. Dies dürfte zu einer steigenden Nachfrage nach Emissionszertifikaten und dadurch zu einem Anstieg der EUA-Preise führen.

Dadurch wird die Industrie zusätzlich zu den aktuellen jährlichen Aufwendungen für Emissionsberechtigungen in Höhe von rund 400 Mio. € weitere Mittel bereitstellen müssen. 2021 werden bereits knapp 600.000 € sein, 2026 sogar knapp 1,8 Mrd. €. Hinzu kommt, dass durch die vorgenommene Kürzung der durch die Strompreiskompensation begünstigten Sektoren rund 70% der ursprünglichen Sektoren ab 2021 ihre Beihilfeberechtigung verlieren werden. Dabei hatte die Bundesregierung selbst mit einer Verfünffachung des Kompensationsbudgets im Bundeshaushalt von rund 200 Mio. € in 2019 auf eine knappe Mrd. € in 2023, die auf den ursprünglichen Kreis der Berechtigten in den nächsten Jahren zukommende Belastung als zu hohe Belastung für die betroffenen Unternehmen eingestuft.

Hier können Sie das Impact Assessment herunterladen.

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